Die großen gesellschaftlichen und politischen Umwälzungen am Ende des 18. Jahrhunderts veränderte auch die Lebensumstände der Menschen in Thüringen und boten ihnen neue Möglichkeiten zum sozialen Aufstieg.
![]() ehemalige Reichsstadt Mühlhausen, 2023 |
Georg Ernst Schroeter, geb.1810, dessen Eltern noch leibeigene Bauern in Frankenroda an der Werra waren, nutze die Chance, die ihm durch die tiefgreifenden politischen Veränderungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts geboten wurde. Napoleon, der sich als Vollstrecker der Errungenschaften der Französischen Revolution von 1789 verstand, veränderte komplett die politische Landkarte in Europa. Zu dem von ihm geschaffenen französischen Vasallenstatt Königreich Hannover gehörten nun Mühlhausen und die umliegenden Dörfer, so auch das Amt Haineck, zu dem Frankenroda gehörte. |
Georg Ernst Schroeter und seinen Kindern ermöglichte die Abschaffung der Leibeigenschaft und die durch den Code civil garantierten Bürgerfreiheiten u.a. die freie Wahl des Aufenthaltsortes und eröffnete neuen beruflichen Entfaltungsspielraum.
Die Chance durch Heirat in einem höheren Stand zu wechseln, nutzte der Bauernsohn noch nicht. Er ehelichte im Alter von 28 Jahren Dorothea Kleinschmidt aus Bollstedt, wie er von bäuerlicher Herkunft. Schon bald nach der Hochzeit wurde dem Paar in Mühlhausen der Sohn Karl August geschenkt, der Ur-Großvater meiner Schwiegermutter Anneliese Schroeter.
Karl August Schroeter (geb. 1839) heiratete Maria Dorothea Rudolph (geb. 1840), die aus einer bürgerlichen Familie stammte. Über mehrere Generationen waren ihre Vorfahren als Tuchmacher und Färber in der Stadt Mühlhausen tätig. Die Mühlhausener Tuchmacher hatten schon seit dem Mittelalter einen guten Ruf. Das „Mühlhäuser Laken“ war ein Qualitätsbegriff. Die Tuchmacher waren spezialisierte Weber, die hochwertige Stoffe herstellten, und zu den angesehensten Handwerken der Stadt zählten.
Durch Strebsamkeit, Fleiß und Sparsamkeit schaffte Karl August Schroeter, der zunächst noch als Knecht in der Landwirtschaft arbeite, den Aufstieg zum selbständigen Unternehmer. Nachdem er Zimmermann geworden war, gründete er ein eigenes Bauunternehmen. Durch die einsetzende Industrialisierung waren die wirtschaftlichen Umstände in Mühlhausen nicht zuletzt auch für die Baubranche günstig. Innerhalb eines Jahrhunderts stieg die Einwohnerzahl fast um das Vierfache auf 33.000. Dieser starke Bevölkerungswachstum führte zwangsläufig zu einer erhöhten Nachfrage nach Wohnraum und zu einer regen urbanen Bautätigkeit, wovon auch das Bauunternehmen Schroeter profitierte |
Karl August Schroeter und Maria Dorothea Rudolph, um 1870 |
Nach dem Sturz Napoleons 1813/14 war Mühlhausen wieder an Preußen gekommen. Folglich musste der junge Familienvater in der preußischen Armee Dienst tun und nahm am Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 teil. Durch die Bedingungen im Feld zog er sich als Spätfolge Rheumatismus zu. Eine Herzinsuffizienz führte zur Wassersucht und war vermutlich eine der Ursachen für seinen frühen Tod mit 52 Jahren.
![]() Anna Martha Thomas und Julius August Schroeter, um 1900 |
Seine Söhne profitierten von dem schulischen Bildungsangebot in der aufstrebenden Stadt und konnten schließlich anspruchsvollere Berufe ergreifen. Der Älteste, Friedrich, wurde Beamter im mittleren Dienst. Als Oberpostassistent leitete er eine Poststelle. Sein Bruder Julius August Schroeter (geb. 1871), der Ur-Großvater unserer Enkel, ging in die freie Wirtschaft. Als gelernter Kaufmann übernahm er ab 1903 nach einem Ortswechsel nach Hahnstätten in Hessen eine leitende Funktion in dem neu gegründeten Zementwerk in Zollhaus. Zuvor hatte er in Mühlhausen die Tochter eines Tischlermeisters und Restaurateurs, Anna Martha Thomas (geb. 1874), geheiratet. Mit ihr hatte er sechs Kinder, von denen drei bereits im Säuglingsalter starben. Als das jüngste Kind gerade ein Jahr alt war, starb Anna Martha Thomas 1908 an Lungentuberkulose. |
Vier Jahre später ging der Witwer mit drei Kindern eine neue Ehe ein. Er heirate Mathilde Rühl (geb. 1878), die aus einer alteingesessenen Familie aus Frankfurt-Bornheim stammte. 1913 wurde dem Paar in Zollhaus die Tochter Anneliese Schroeter geboren. Sie lernte den späteren Pfarrer von Heusweiler/Saar, Walter Schneider, noch als Theologiestudenten kennen und heiratete ihn 1939 in Cölbe an der Lahn. Beide gemeinsam hatten sieben Kinder. |
Anneliese Schroeter und Walter Schneider, 1939 |