Lucy und Erwin Kifferles Deportation in ein unbekanntes Land
Als im Sommer 1941 deutsche Wehrmacht unter General Erwin Rommel in Nordafrika militärische Erfolge erzielte und auf dem Vormarsch Richtung Ägypten und Palästina war, entschieden die britischen Behörden, in ihrem Mandatsgebiet lebende Deutschen zu deportieren.
Am 28. Juli 1941 wurde Erwin und Lucy Kifferle mitgeteilt, dass ihre unmittelbare Deportation bevorstünde und sie 72 Stunden Zeit hätten, sich auf ihre Abreise vorzubereiten. Das Ziel wurde ihnen nicht mitgeteilt. Sie hätten das Recht, pro Person 40 kg Gepäck mitzunehmen und eine begrenzte Summe Geldes. Allen anderen Besitz, auch Immobilen, mussten sie zurücklassen. Ihr Eigentum wurde vom britischen Staat konfisziert.
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Am Vormittag des 31. Juli 1941 wurden Lucy und Erwin Kifferle zu einem Bahnhof in Haifa gebracht. Pünktlich um 13 Uhr fuhr der Zug ab. Jüdische Polizei unter britischem Kommando bewachten den Zug.Die Route führte von Haifa nach Lod (Lydda), wo die letzten deutschen Internierten aus Sarona und Wilhelma sowie die Männer aus dem Lager in Jaffa zugestiegen sind.Insgesamt waren nun 660 Passagiere an Bord des Zuges: 536 Angehörige der Templer-Sekte, 32 Katholiken, 84 Protestanten (darunter Erwin Kifferle) und 13 jüdische Ehepartner von sog. „arischen Deutschen“ (darunter Lucy Kahn).
Der Zug durchquerte nachts den Gaza-Streifen und die Sinai-Halbinsel. Die Strecke führte über Rafah und Al-Arisch nach El Qantara am Suezkanal in Ägypten. Die Reisebedingungen waren alles andere als angenehm. Auf den unbequemen Sitzgelegenheiten kamen sie kaum zum Schlafen, weil ständig kontrollierende palistinänsische Polizisten durch die Gänge streiften. Im Zug herrschte eine große Hitze, denn die Fenster sollten wegen des Wüstenstaubes und des Qualms der Lokomotive geschlossen bleiben.
In den Morgenstunden erreicht der Zug El Qantara. Lucy und Erwin fragten sich, ob nun Ägypten ihr endgültiges Ziel sei. Dort waren die Templer nämlich während des Ersten Weltkrieges schon einmal interniert. Bevor es in einer Fähre vom asiatischen zum afrikanischen Ufer des Suezkanales ging, wurde Proviant an die Deportierten verteilt. Auf der anderen Seite des Kanals wartete wieder ein Zug. Auf dem Bahnsteig lagen in großen Haufen völlig durcheinander die Gepäckstücke der Reisenden. Die Wachmannschaften hatten es dorthin transportiert. Erwin und Lucy hatten große Mühe, in dem hier herrschenden Chaos unter den überall suchenden Reisenden ihr Gepäck wiederzufinden.
In sommerlicher Hitze bei Temperaturen von 35° ging es immer weiter südwärts durch das Land am Nil über Ismāilia vorbei an den Bitterseen bis ans Rote Meer. Unterwegs sahen sie im Vorbeifahren mit Stacheldraht eingezäunte Zeltlager mit deutschen Kriegsgefangen und eine große Ansammlung von Kriegsgerät. Schwer beladenen Militärzüge kamen ihnen entgegen. Darin befanden sich auch australische Soldaten auf dem Weg zur Front, die offensichtlich gerade in einem Schiff in Suez angekommen waren. In den Abendstunden erreicht der Zug die Hafenstadt am Golf von Suez. Es gab Verpflegung. Die Nacht mussten Erwin und Lucy wie alle anderen wieder im Zug verbringen.
Im Hafen lag bereits das Schiff vor Anker, das die Deportierten aufnehmen sollt, die Queen Elizabeth. Das hoch moderne Kreuzfahrtschiff aus dem Jahr 1938 mit seinen 83.637 Bruttoregistertonnen hatte einmal eine andere Bestimmung. In Friedenszeiten sollte das damals größte Passagierschiff der Welt mit bis zu 2283 Urlaubern an Bord durch die Weltmeere kreuzen. |
Während des Krieges diente es als Truppentransporter und wurde wie in diesem Fall auch zum Transport von Zivilisten und Kriegsgefangenen eingesetzt. Die Schlafplätze in den Kabinen wurden von vier auf bis zu zehn Kojen aufgestockt. Entsprechend beengt ging es darin zu. Drei Wochen sollte der Dampfer ihr Zuhause sein. Wegen seiner extremen Schnelligkeit benötigte das Schiff keinen Geleitschutz durch Kriegsschiffe. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 36 Knoten konnte es den deutschen U-Booten entkommen
Schon am 2. August 1941 ging es für Erwin und Lucy auf große Fahrt. Noch immer rätselten sie, wohin man sie bringen würde.