Erwin Kifferle und Lucy Kahn (Teil 2)

Palästina, das  Exilland von Lucy Kahn und Erwin Kifferle

Palästina war nach dem Ersten Weltkrieg ein Mandatsgebiet unter britischer Oberhoheit. Seit Ende des 19. Jahrhunderts war die zionistische Bewegung bestrebt, möglichst viele Juden als Siedler ins „Gelobte Land“ zu holen. Erst durch die veränderte politische Situation nach der Machtübernahme durch die Nationalsozilisten wurde Palästina neben den USA, die nur begrenzt Flüchtlinge ins Land ließen, zu einem der wichtigsten Exillänger für jüdische Emigranten aus Deutschland.

Die    Briten schrieben die Einreisebedingungen vor und ließen vorzugweise Menschen mit einer beruflichen Qualifikation und finanziellen Mitteln nach Palästina kommen. Beide Voraussetzungen erfüllten Lucy und Erwin Kifferle. Sie fanden eine Bleibe in der Hafenstadt Haifa im Norden des Landes. Wie viele der Tausenden von Einwanderern aus Mitteleuropa fiel es den beiden nicht leicht, sich an die neuen Lebensumstände anzupassen. Sowohl der orientalische Lebensstil und als auch das heiße Klima war für sie ungewohnt. Außerdem sollten sie sich auch noch auf Hebräisch verständlich machen. Zum Glück konnte sie durch ihre praktischen Berufe, Friseur und Schneiderin, nach und nach ihren Lebensunterhalt selbst sichern.

Palästina im Zweiten Weltkrieg

Drei Jahre lebten Erwin und Lucy Kifferle in dem Bewusstsein, sie könnten sich in Palästina eine friedliche und gesicherte Existenz aufbauen, als ihr persönliches Schicksal wieder von der großen Politik bestimmt wurde. Am 1. September 1939 brach mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen der Zweite Weltkrieg aus und Großbritannien trat gegen das Deutsche Reich in den Krieg ein. Ironie des Schicksals: mit Ausbruch des 2. Weltkrieges wurden Erwin Kifferle und Lucie Kahn, die vor den Nazis aus Deutschland geflohen waren, wieder zu Verfolgten. Sie wurden wie alle ehemalige deutsche Staatsangehörige gemäß einem englischen Gesetz umgehend zu enemy aliens erklärt, also zu feindlichen Ausländern. In den Augen der Briten wurden sie als „extreme nationalsozialistische und faschistische Elemente“ angesehen und waren daher „potenziell sicherheitsgefährdend“.

Bereits am 26. August 1939 erließ der Hohe Kommissar für Palästina eine neue Verordnung gemäß der Personen, die in den Augen der Briten ein erhöhtes Sicherheitsrisiko darstellten, als sog. „feindliche Ausländer“, bestimmten Restriktionen unterworfen waren. Folglich wurden auch Erwin und Lucy Kifferle „im Interesse der öffentlichen Sicherheit“ in ihrer persönlichen Bewegungsfreiheit und auch in der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit beschränkt. Sie unterlagen einer Meldepflicht und durften ihr Stadtviertel nicht verlassen.  Erwin der mit seinen 34 Jahren noch im wehrfähigen Alter war, wurde wie viele deutschstämmige Männer verhaftet und in ein bereits bestehendes Gefangenenlager in Akko nahe der syrischen Grenze gebracht. Die dortigen Haftbedingungen für die 200 Häftlinge wurden von Insassen später als menschenunwürdig bezeichnet. Gesteuert wurden die Maßnahmen u.a. vom C.I.D. (Criminal Investigation Department), der britischen Geheimpolizei in Palästina. Mit Hilfe von Informanten und Spitzel versuchten sie die politische Situation im besetzten Land unter Kontrolle zu behalten.

Mitglieder der deutschen Tempelgesellschaft, eine Mitte des 19. Jahrhundert in Baden-Württemberg entstandene sektiererische Religionsgemeinschaft, auch „Templer“ genannt, die an die bevorstehenden Wiederkunft Christi glaubten, gründeten   im Heiligen Land mehrere landwirtschaftlichen Kolonien. Diese trugen Namen wie Sarona, Wilhelma, Betlehem und Waldheim. Unter den deutschstämmigen Templer gabe es viele überzeugte Nationalsozialisten, die sich nicht scheuten, sich mit der Hakenkreuzfahne öffentlich zu präsentieren. Grundsätzlich galten bei den Briten aber alle Deutsche, Österreicher und Italiener als „feindliche Ausländer“. Die Templer-Siedlungen wurden auf Anordnung des britischen Hohen Kommissars für Palästina mit Stacheldraht eingezäunt und zu   Internierungslager erklärt. Auch Lucy wurde wie die übrigen in Palästina ansässigen Deutschen in einem dieser Lager untergebracht.

 

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