Elisabeth Zerr Teil 3: Warthegau – Flucht vor der Roten Armee

Flucht aus dem Warthegau

Der Aufenthalt im Kreis Konin sollte nur drei Monate dauern. Die Strapazen der Flucht waren noch nicht verkraftet, als der nächste Aufbruch anstand. Im Januar 1945 begannen die Sowjets an der gesamten Ostfront einen Großangriff und rückten täglich dem Warthegau ein Stück näher. Sowohl die verantwortlichen Parteibehörden als auch die Bevölkerung traf diese Entwicklung völlig unvorbereitet. Wertvolle Zeit ging verloren. Selbst nach Beginn der sowjetischen Offensive wurde der Bevölkerung die Flucht untersagt. Die Evakuierung des Warthelandes, die kontrolliert in Etappen erfolgen sollte, verlief völlig ungeordnet und chaotisch. Für den Raum Kolin wurde erst am 16. Januar wurde die Evakuierung zugelassen. Diese beschränkte sich zunächst nur auf Frauen mit kleinen Kindern, Kranke und Alte. Da Kraftfahrzeuge als Transportmittel praktisch nicht vorhanden waren, Eisenbahnzüge nur gelegentlich fuhren, musste häufig auf Pferdegespanne zurückgegriffen werden. Bei eisiger Kälte versuchten die Flüchtenden den heranrückenden russischen Truppen zu entkommen. In dieser Zeit verliert sich die Spur von Elisabeth Zerr und ihrer Tochter Maria. Angesichts der Tragödien, die sich abspielten, können wir nur vermuten, welches Schicksal ihnen zugestoßen sein mag.

Tausende starben an Kälte und Hunger oder wurden von sowjetischen Truppen misshandelt, vergewaltigt oder ermordet. Andere, deren Trecks nicht schnell genug waren, wurden von der Roten Armee eingeholt und von russischen Panzern zermalmt.  Russlanddeutsche, die der Roten Armee im Wartheland in die Hände fielen, wurden nach Sibirien deportiert und mussten dort unter unmenschlichen Bedingungen in Bergwerken Sklavenarbeit verrichten. Was diese auf dem langen Transport in Güterzügen erleiden mussten, lässt sich nur schwer in Worten fassen.

Menschen, denen die Flucht in die die britische oder amerikanische Zone gelang und  aus dem Gebiet der Sowjetunion stammten, wurden gemäß alliierter Abkommen an die UdSSR ausgeliefert Im Rahmen dieser sog. Aktion Keelhaul (engl. für Kielholen) wurden rund zweieinhalb Millionen gegen ihren Willen  nach Sibirien zwangsrepatriiert. Tausende starben auf dem Transport, begingen Selbstmord oder wurden ermordet. Offensichtlich überlebte Maria Zerr einen solchen Transport. Gemäß familiärer Überlieferung starb sie nach 1945 durch einen Unfall in einem sibirischen Bergwerk im Alter von 16 Jahren. Als einziger der Familie überlebte Linas Urgroßvater Pius Zerr, der als Soldat in amerikanische Gefangenschaft geriet und bei Gießen eine Familie gründete. Über das Ende Elisabeth Zerrs ist nichts bekannt. Sie wurde vermutlich nur 46 Jahre alt.

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