Bischmisheim im zweiten Weltkrieg

Bischmisheim im zweiten Weltkrieg

Der Westwall

In den 50er Jahren als ich ein kleiner Junge war, bestand meine Lieblingsbeschäftigung darin, mit meinen Spielkameraden durch Wald und Flur unserer Gemarkung zu streifen. Eine große Faszination für uns ging aus von den Resten einer ehemaligen militärischen Befestigungsanlage, dem sog. Westwall.

Das Bollwerk, das etwa die Hälfte des Saarlandes einnahm, sollte die Westgrenze des sog. Dritten Reiches vor möglichen Angreifern schützen.  Über 4000 Bunker säumten die deutsch-französische Grenzregion an der Saar. 100 km Panzergräben und 60 km Höckerlinien durchzogen das Land. Dazwischen befanden sich 340 Minenfelder.

Allein im Abschnitt der Gemarkung Bischmisheim bestand der Westwall aus einer 4 bis 5 km langen sog. „Höckerlinie“. Dicht an dicht errichtete Betonpyramiden dienten als eine Art Panzersperre.  Dazu kamen 100 Bunker, auf denen wir gerne herumkletterten, z.B. auf dem „Steinacker“. Neben dem Acker meiner Großmutter im Flurstück „Repplerech“ war ein gesprengter Bunker. Sein Eingang war durch die Sprengung nur halb verschüttet. Mir wurde strengstens untersagt, in diese „Höhle“ hinabzusteigen, weil nicht sicher war, ob dort noch Blindgänger lagen.

Mir war als Kind nicht klar, welche schicksalshaften Folgen für meine Familie die Nähe meines Heimatortes Bischmisheim (Luftlinie ca. 5 km) zur französischen Grenze hatte.

Die Evakuierungen 1939 und 1944

Im Rahmen der Kriegsvorbereitungen hatte das Hitler-Regime einen 400 km langes und etwa 10 km breites Gebiet entlang der deutsch-französischen Grenze im Bereich des Westwalls zur „Roten Zone“ erklärt. Zu Beginn und am Ende des zweiten Weltkrieges wurde die Zone evakuiert. Die Familie meiner Mutter Martha musste, wie 10 Millionen andere Reichsbürger und 300.000 Saarländer Haus und Hof samt Inventar zurücklassen. Viele wurden bei wildfremden Menschen in anderen Teilen des Reiches (z.B. Hessen, Franken und Thüringen) untergebracht. Während der Großvater Peter Diener nach Neunkirchen/Saar beorderte wurde, hatten die Frauen der Familie das Glück, sich nach Freudenstein, Enz in Baden-Württemberg zu den Verwandten meiner von dort stammenden Großmutter Friederike begeben zu dürfen.

Meine Großeltern Peter Diener und Friederike Diener ließen eine friedensmäßig mit Waren reich ausgestattete Drogerie zurück. Wertvollere Gegenstände wie Porzellan und Tafelsilber mauerten sie in einem Kellergewölbe ein. Als nach dem Frankreichfeldzug im Juni 1940 meine Großeltern wieder zurückkehrten, stellten sie erhebliche Schäden an ihrem Besitz fest. Obwohl Bischmisheim keine direkte „Feindberührung“ hatte, also nur Wehrmachtssoldaten im Ort waren, war die Drogerie geplündert und die Mauer des Kellerversteckes eingerissen. Die eigenen „Volksgenossen“, Soldaten wie Zivilisten, hatten sich am Eigentum meiner Familie vergangen. Mein Großvater, einst Sanitäter im Ersten Weltkrieg, musste entsetzt feststellen, dass in seinem Haus eine Art Lazarett der Wehrmacht eingerichtet war. Viele Räume waren in einem desolaten hygienischen Zustand und mussten erst desinfiziert werden. Fips, der Foxterrier meiner Mutter, den sie nicht mitnehmen konnte, lag erschossen im Garten.

Kriegsende – Kämpfe am Westwall

Eine zweite Evakuierung der Roten Zone fand im November/Dezember 1944 statt. Am 6. Juni 1944 waren die Alliierten in der Normandie gelandet und rückten der deutschen Verteidigungslinie am Westwall, den sie Siegfried-Linie nannten und der zur Kampfzone werden sollte, immer näher.

In dem Bischmisheim vorgelagerten Bliesgau sollten sich heftige Kämpfe entwickeln. 63. US-Infanteriedivision unter Generalmajor Louis E. Hibbs erreichten 17.12. Gersheim an der Blies, wo  der Vormarsch für drei Monate ins Stocken geriet.  Ihm gegenüber stand das XIII. Armeekorps der Waffen-SS unter dem Kommando des SS-Gruppenführers Max Simon. Teil seines Korps war die kampferprobte und wegen ihrer Kriegsverbrechen berüchtigte 17. SS-Panzergrenadier-Division „Götz von Berlichingen“. Diese Soldaten waren fest entschlossen, den Befehl, die Alliierten bedingungslos am Vormarsch auf das Reichsgebiet zu hindern, mit aller Macht umzusetzen.

In der Nacht vom 14. auf den 15. März 1945 setzten die US-Truppen zum Großangriff an. Die 63. US-Infanteriedivision unter Generalmajor Louis E. Hibbs hatte das strategische Ziel, den Westwall zu durchbrechen, um Saarbrücken  von Osten her in die Zange zu nehmen. Der US-Angriff begann mit einem sechs Stunden dauernden Artilleriebeschuss der grenznahen Dörfer, wie Ensheim, und des sich bei Heckdalheim befindlichen Westwalls.

Bei dem Dörfchen Utweiler lieferte sich die 12. Division der amerikanischen Truppen eine heftige Panzerschlacht mit den Panzergrenadieren der SS-Divison Götz von Berlingen. Die Amerikaner mussten schwere Verluste hinnehmen. 400 amerikanische und 200 deutsche Soldaten fanden in diesen Kämpfen den Tod.

In der Nacht vom 16. auf den 17.3. gelang den Amerikanern der Durchbruch. Die deutschen Truppen zogen sich hinter den nur wenige Kilometer entfernten Westwall zurück. Nordöstlich vom Bischmisheim, im sog. Hochwald wurde der deutsche Abwehrkampf noch drei Tage lang mit erbitterter Härte geführt. Unterstütz wurde der Vorstoß der Amerikaner von ihrer Luftwaffe. 70 deutsche Soldaten ließen auf dem Triebenberg ihr Leben. Ein Ehrenfriedhof erinnert heut noch an die dort gefallenen Soldaten.

Am Spätnachmittag des 19.3. um erhielten die deutschen Truppen per Funk den Befehl, den Westwall zu räumen, da durch von Norden heranrückende US-Truppen die Einkesselung drohte.

Die 63. US-Infanteriedivision setzte unverzüglich ihren Vormarsch fort und rückte ohne weiteren Widerstand am 20. März 1945 in der Stadt St. Ingbert ein. Am 21. März war mit der Eroberung von Saarbrücken und Neunkirchen der Krieg im Saarland zu Ende.

Nach Kriegsende wurden die Bunker-Anlagen gesprengt. Sie blieben als Ruinen stehen und wurden von der Natur zurückerobert. Pflanzen wucherten aus ihren Ritzen und Tiere fanden einen Rückzugsort.  

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