Kriegsschauplatz Italien
Die Anreise
(Zeichnugen von Franz Dietz)
Nachdem sich Franz Dietz am 7. November 1944 in Saarbrücken von seiner Frau Martha verabschiedete hatte, stieg er in den Zug, der ihn zu seiner Einheit der Heeres-Küsten-ArtillerieAbt. 287, die an der Adria-Küste stationiert war, bringen sollte.

Das Einsatzgebiet: Operationszone Adriatisches Küstenland
So gut es ging, nutzte Franz die Wartezeit an den Umsteigebahnhöfen zu kleinen Stadtspaziergängen, so z.B. in Heidelberg und in Salzburg, wo er 9. November eintraf.
Von unterwegs schickte Franz, dem das Schreiben leicht viel, immer wieder Briefe an seine Frau Martha. So auch aus Salzburg:
„Ich sitze in einer sehr netten Gaststätte bei einem Gläschen Bier, und wie immer bin ich tief versunken in 1000 Gedanken an dich, mein Herz! Vom Verlauf meiner bisherigen Fahrt will ich dir in kurzen Zügen einen kleinen Überblick zu vermitteln suchen. Ich muss sagen, dass die Fahrt von Brebach aus Recht reibungslos und flott vonstattenging.
Längeren Aufenthalt hatte ich in Heidelberg von etwa 15:00 Uhr bis 23:30 Uhr. Ich schlenderte dort durch die verträumten Straßen und Gassen eines alten, romantischen Universität Städtchens an beiden Ufern des Neckar gelegen. Abends war ich in einer kleinen, sehr netten Heidelberger Gaststätte.
Pünktlich um 23:35 Uhr verließ der D-Zug Heidelberg. Ich hatte ein Recht bequemen Sitzplatz. Die Fahrt verlief von Heidelberg über die Stationen Bruchsal, Stuttgart, Göppingen, Geislingen, Ulm, Augsburg, München, Rosenheim und Salzburg.
Um 11:00 Uhr mittags etwa waren wir in München angekommen. Eine volle Stunde hatten wir dort Aufenthalt. Als ich mein Abteil verließ und auf dem Bahnsteig des Hauptbahnhofs stand, war es mir nicht ganz geheuer. Denn ich konnte mich entsinnen, dass für 9. November Luftangriffe auf München angekündigt waren, aber zum großen Glück blieb es nur bei einem Voralarm.
Kurz nach 13:30 Uhr lief dann der Zug hier in Salzburg ein. Schon hinter Rosenheim empfing uns tiefster Winter, all überall hatte das weite Land sein winterliches Schneekleid angezogen. Als wir durch einen Tannenwald fuhren und die Zweige der Nadelbäume sich wegen der glitzernden Last sacht nach unten bogen und sich im Wind wiegten, kam es mir schon sehr weihnachtlich vor. Als ich in Salzburg aus dem Bahnhof trat, grüßten mich majestätisch die weißen Gipfel der nahen Salzburger Alpen. Und zu Füßen der alles überragende weithin ins Land schauende Festung, lagen wie hingestreut die schneebedeckten Häuser des Mozart-Städtchens.
Meine Liebe, hier könntest du wunderbar einkaufen, ich sah Kleider, die wie für Dich mein Herz geschaffen waren. Im Geiste konnte ich mir wunderbar ausmalen, wie fein du in diesen Kleidern erscheinen würdest. Es gab bunte Schals, schöne Unterwäsche und so weiter. Zunächst ging ich zu einem Friseur zum Haare schneiden und rasieren Hoch feine Bedienung. Na, die Preise waren auch danach.
Dann machte ich wieder einen Versuch, dir zu telegrafieren. Bitte bestätige mir, dass das Telegramm ankam.
Mein nächster Weg führte mich über die Salzachbrücke zum jenseitigen Teil der Stadt zu Mozarts Geburtshaus. Da ich noch einen längeren Aufenthalt hatte, mein Zug fährt erst um 22:00 Uhr, sah ich mir einen neuen Film an, von dem ich viel Gutes gehört hatte. Ich war davon wirklich angetan und überrascht. Sein Titel: „Musik in Salzburg“ mit Willi Birkel und Lil Dagover. Herbert Maisch verstand es mit seiner Regie ein Spielfilm erster Klasse zu schaffen mit guten Dialogen und ausgezeichneten Darstellern. Die Bilder vom herrlichen Salzburger Land waren untermalt von Mozarts göttlicher Musik.
Geliebte Martha, immerzu leide ich noch darunter, dass ich von dir fort musste nach einem paradiesischen, überirdisch schönen Zusammensein mit dir. Möge es der Herrgott geben, dass ich noch bald, recht bald wieder zu Dir meinem Herzensglück zurückkehren darf.“

In Triest verweilte er vom 10. bis zum 14. November. Beim Bummel durch die Atstadt wurde er sich gewahr, wie nah er dem Kriegsgeschehen war. Ein amerikanischer Luftangriff zwang ihn, in einer Unterführung im Stadtzentrum von Triest Schutz zu suchen.
Die geplant weiterfahrt per Auto, um wenige Stunden später bei der Truppe zu sein, war nicht möglich. Deshalb nahm er die Fähre. Per Schiff durchquerte am 14.11.1944 den Golf von Triest Richtung Piran.

Tartinipaltz in Piran
In Portorož bei Lucija (heute Slowenien) ging er an Land und fuhr ein kurzes Stück mit der Straßenbahn nach Strunjan. Dort an der Küste gelegen befand sich die feudale Villa Tartini.


roter Punkt: Lage der Villa Tartini
Villa Tartini bei Strrunjan
Wie so oft hatte sich der Stab in einer komfortablen Unterkunft einquartiert. In dieser Villa in mediterraner Atmosphäre mit herrlichen Ausblicken auf die traumhafte Küstenlandschaft der Adria sollte Franz die folgenden fünf Monate genießen dürfen. In der ausgehnten Parkanlage konnte er spazierengehen.

Er hatte Kontakt zur italienischen Bevölkerung u.a. zur Signiora ………, mit der später noch korrespondierte. Offen für Fremdsprachen eignete er sich italienische Grundkenntnisse an.
Auch gab es ein Wiedersehen mit einigen seiner langjährigen Kampfgefährten vom Stab, mit denen er schon auf der Krim zusammen war: Ewald Kappel und Heinz Ruckert. Den beiden musste er die traurige Nachricht überbringen, dass ihr alter Kamerad, Leutnant Gustav Martin, in einer Panzerschlacht an der Ostfront gefallen war.
Franz schildert Mitte Dez. 1944 seine aktuelle Situation:
„Wie es mir geht, willst du vor allem wissen. Ich muss sagen in jeder Beziehung einfach ganz ausgezeichnet. Ein herrliches Zimmer habe ich in der Villa Tartini direkt am Meer. Ich habe es so gut es ging die Lage der Villa in dieser Zeichnung wiedergegeben. Es ist eine wunderschöne italienische Küstenlandschaft.

Die Tartinis, denen einst die Villa gehörte, hatten einen berühmten Vorfahren, einen Geigenkünstler und Freund Paganinis. In Pirano steht ein großes Denkmal des Violinisten und Komponisten Tartini.
Ich liege zusammen mit Oberwachtmeister Spiegel in einem geradezu feudalen Zimmer. Die Einrichtung – kunstvoll verzierte Möbel, herrliche Gemälde – stammt noch aus der Tartini Zeit. Es fehlt mir an nichts.
Kürzlich war ich wieder mal einige Tage in Triest zur Erledigung dienstlicher Angelegenheiten. Ich sah dort auch einen Film, von dem zu sprechen, heute zu weit fühlen würde.
Zu Ewald Kappel komme ich recht oft. Zuletzt war ich dort am 4. Dezember, als eine große Barbara Feier stieg. Die heilige Barbara ist die Schutzheilige der Artillerie. Eine Tanzkapelle aus Pola in Stärke von acht Mann spielten ganz zackig. Wein floss unaufhörlich aus allen Schläuchen. Die Stimmung war ganz große Klasse. Es feierte nur der kleine Stab, ich war als Gast dort. Ewald bekam schon vor fast acht Tagen die Saarbrücker Zeitung mit Gustis (Gustav Martin) Todesanzeige.
Als ich vom Urlaub zurückkam, lagen in der Abteilung für mich einige Briefe. Darunter auch ein acht Seiten langer Brief von meinem ewig unvergesslichen Kameraden und lieben Schwager Gustav. Er schrieb mir so herzlich und so nett, dass ich die Tatsache seines Heldentodes einfach nicht glauben kann und will! Warum hat ihn uns denn der Herrgott auch allzu früh genommen, den Besten!? Doch in uns lebt er ewig fort!
Mein Herz für dich habe ich schon einen Füller gekauft und 6 m gutes Durchziehgummi. Beim nächsten Zahltag will ich auch einen Füllfederhalter für Elfriede kaufen. Man bekommt als Soldat so wenig Lira und die Preise sind unsagbar hoch. Wäre es möglich, dass Du mir monatlich 52,50 Reichsmark schicken könntest? So bekomme ich diese per Postanweisung in Lira ausgezahlt, denn ich habe in Triest noch so manche schöne Dinge für Dich gesehen. Absenden tue ich die Sachen aber vorläufig noch nicht.“
| Zur Geschichte der Villa Tartini
Ursprünglich benutzte die alteingesessene Familie Tartini aus Piran die Villa als Sommerresidenz. Der Komponist Giuseppe Tartini (1692–1770) war der berühmteste Spross der Familie. Auf dem zentralen Tartini-Platz steht noch heute sein Denkmal, s. Zeichnung oben. Anfang des 20. Jahrhunderts kaufte Graf Giorgio Stadion von Domenico Vatta die Villa. Nach dem Krieg wechselte die Immobilie häufig den Besitzer. Heute beherbergt sie ein gepflegtes 4-Sterne Hotel in malerischer Umgebung. |

Die Villa Tartini heute, ein 4-Sterne Hotel
In seinen Briefen macht sich Franz Sorgen um Martha und ihre Familie, deren Heimatort Bischmisheim unmittelbare an der Befestigungsanlage Westwall lag. Wegen der heranrückenden amerikanischen Truppen musste die sog. „rote Zone“ kurz nach der Abreise von Franz im Dezember 1944 evakuiert werden. Die saarländische Bevölkerung wurde verteilt im ganzen Reichsgebiet untergebracht. Die Familie Diener hatte das Glück, sich nach Freudenstein, Enz in Baden-Württemberg zu den Verwandten von Marthas Mutter Friederike begeben zu können.
Franz schrieb am 10. Dezember 1944:
„Allerdings wäre es für mich beruhigender, wenn ich dich an einer weniger gefährdeten Stelle als dem Saarland wüsste. Ich habe ja seit ich von dir weg bin immer in Sorge und Angst leben müssen, und dies wird erst dann einigermaßen nachlassen und besser werden, wenn ich die Gewissheit habe, dass du mit deinen Lieben endlich das grauenvolle Frontgebiet verlassen hast.… Meine Briefe werde ich von nun an deine Anschrift in Freudenstein senden…“
Die Militärische Lage in Oberitalien
Anfang September 1943 landeten britische Verbände auf der Südspitze des mit dem Deutschen Reich verbündeten Italien. Somit war eine Front an der Südflanke der sog. Achsenmächte entstanden. Wegen der heftigen deutschen Gegenwehr rückte die Alliierten nur langsam nach Norden voran. Erst im Juni 1944 waren sie in der Lage Rom einzunehmen. Die Wehrmacht zog sich zurück und baute eine 320 Kilometer lange Verteidigungslinie auf, die sich von La Spezia über den Apennin zur Adria bei Rimini erstreckte. Während der Herbst- und Wintermonate konnte diese Front von den deutschen Truppen bis Mitte April 1945 gehalten werden. Am 9. April 1945 begannen die Alliierten mit einer Großoffensive gegen die deutschen Stellungen. Am 25. April überschritt die britische 8. Armee den Po und stieß in Richtung Triest vor. Angesichts der aussichtslosen Lage der deutschen Truppen führte die deutsche Heeresleitung gegen den ausdrücklichen Befehl Adolf Hitlers Verhandlungen über eine Teilkapitulation in Italien. Die Kapitulation in Italien wurde am 29. April unterzeichnet und trat am 2. Mai in Kraft. Am selben Tag erreichten neuseeländische und britische Einheiten Triest. Die deutschen Soldaten ergaben sich.
Darunter auch Franz Dietz, der sich zum Zeitpunkt seiner Gefangennahme bereits in Jessolo befand.
Er wurde wie die übrigen gefangengenommenen Wehrmachtsangehörigen per Eisenbahn in die Stadt Tarent in Süditalien gebracht. Dort hatten die Briten ein großes Auffang- und Durchgangslager betrieben. Die Soldaten waren in Zelten untergebracht, wurden korrekt behandelt und angemessen verpflegt. Per Schiff ging es für Franz von dieser Hafenstadt aus über Nordafrika – vermutlich im Juni 1945 – nach Ägypten. In der ägyptischen Wüsten bei Port Said am Suezkanal sollte ihm eine mehrjährige Kriegsgefangenschaft bevorstehen.
Fortsetzung Gefangenschaft in Ägypten